Wettbewerb: Mahnmal zum Sexuellen Missbrauch im Paderborner Dom
Hier die Ausschreibung des Wettbewerbes
Konzept des Entwurfes:
Das Mahnmal-Konzept besteht aus vier Teilen, die an verschiedenen Orten rund um den Paderborner Dom angeordnet werden – es ist zugleich Anklage, Gedenken und Gebetsraum. Graphischer Ausgangspunkt ist das Kreuz: das Symbol des Glaubens. Im Missbrauch wird der Schatz des Glaubens in sein Gegenteil verkehrt. Aus dem griechischen Kreuz oder „Pluszeichen“ der Bejahung wird das verneinende durchkreuzende „X“ der Verweigerung. Dieses geschieht nicht etwa plötzlich, sondern in einem „sinkenden Prozess“ aus Verirrung und Vernebelung von Würde und Tatsache. Diese Graphik wird aus Stahlplatten 3,5*1 m ausgeschnitten.
Der erste Ort, an dem das Mahnmal sich findet, ist ein öffentlicher. Drei Tafeln werden vor dem erzbischöflichen Generalvikariat aufgestellt. Der Cortenstahl patiniert, rostet, vergeht und bleibt. Hier wird ein erstes Thema angerissen. Die Behörde, die die Kirche als Institution vertritt, trifft auf Betroffene, Individuen, die in ihrer Würde, ihrer Seele und ihren Körper verletzt wurden. Kirche bekundet damit die Tatsache sexueller Gewalt öffentlich.
Im Atrium des Domes finden sich weitere Kreuztafeln.
Ein Stapel liegt am Boden – ist unlesbar, undurchdringlich – wie ein verschlossenes Archiv. Auch das ist Tatsache, das noch lange nicht alle Fakten einsehbar sind und es viel verborgenes Unrecht nach wie vor gibt.
Weitere Platten stehen – sind wie ein offenes Buch: man kann wenige Lichtstrahlen finden, wo „Licht“ in den Sachverhalt kommt. Trotzdem bleiben die Erkenntnisse ambivalent, scheinen sich aus je unterschiedlicher Perspektive gegenseitig zu überdecken und verweigern eindeutige Befunde – eben: obwohl alles lesbar sein könnte.
Die Einzelschicksale werden nur formal in den Kreuzen abgebildet. Eine unübersehbare Fülle des Leides.
Das Mahnmal besteht aus insgesamt 14 Platten-Stationen. Damit wird an die Weg Jesu durch die Ungerechtigkeit des Urteils und den Schandtod am Kreuz angespielt. Es wird die theologisch unlösbare Frage nach dem Leiden insgesamt verwiesen: Die Theodizee. Warum lässt Gott das Dunkle und Unrechte zu? Und: Kann dieser Gott allmächtig sein, der seine gute Schöpfung Verwundungen und Störungen aussetzt. Missbrauch hat einen noch ungeheureren Kontext. Dorothee Sölle schreibt dazu: „… wie man nach Auschwitz den Gott loben soll, der alles so herrlich regieret, das weiß ich nicht.“[1]
Diese Orte „nähern“ sich dem Kirchenraum an. Draußen vor dem Erzbischöflichen Generalvikariat, ins Atrium der Domkirche.
In einem alten der Kathedrale vorgeordneten Kirchenraum mit einem alten gemauerten Altar – der Brigidenkapelle – liegen die rd. 2000 aus dem Stationsplatten ausgeschnittenen Kreuze. Eher wahllos ausgeschüttet. Ein Berg aus Kreuzen über dem eine Kerze brennt. Wenig Licht angesichts des unermesslichen Leides, aber eben ein verwundbares und schnell verlöschendes Licht in dem Thema. Besucher des Mahnmales sind eingeladen, sich eines dieser Kreuze mitzunehmen. Das Mahnmal soll zeigen, dass die Prozesse im Dom der Erzdiözese beginnen. Heilen aber kann das nur in der Gemeinschaft der Christen und Katholiken im gesamten Umfeld.
In der Brigidenkapelle sind alle 2000 ausgeschnittenen Kreuze und „X", die ja auch Kreuze sind, ausgeschüttet. Darin steht eine große Kerze, die um Versöhnung brennt. Besuchende können sich ein Kreuz mitnehmen – so reicht das Mahnmal über den Dom hinaus in die Welt.
P. Abraham Fischer OSB