Abteigespräch mit Prof. Dr. Gregor Maria Hoff: Der Synodale Weg – Kirche im Aufbruch?

UPDATE: Am Abend des 12. April 2023 fand im AbteiForum der Abtei Königsmünster ein gut be-

suchtes Abteigespräch zum Synodalen Weg der Kirche in Deutschland statt. Unter der

Fragestellung „Kirche im Aufbruch?“ diskutierte Prof. Dr. Gregor Maria Hoff mit den

Teilnehmenden Geschichte, Themen und Debatten des Synodalen Weges, dessen erste

Phase mit der Fünften Vollversammlung im März in Frankfurt zu Ende gegangen war.

Gregor Maria Hoff ist Professor für Fundamentaltheologie und Ökumenische Theologie

an der Paris-Lodron-Universität Salzburg. Im Rahmen des Synodalen Weges war er tätig

im Forum 1 „Macht und Gewaltenteilung“ und hat u.a. die „Frankfurter Erklärung: Für

eine synodale Kirche“ initiiert. Zudem ist er Berater der DBK in der Glaubenskommis-

sion und der Kommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum. Für letzteres

Thema ist er auch Berater der Päpstlichen Kommission.

Ausgangspunkt: Krise des Missbrauchs

Hoff betonte in seinem Vortrag zunächst noch einmal den Ausgangspunkt des Synodalen

Weges: die MHG-Studie zu sexuellem Missbrauch im Raum der Kirche 2018, die auch

dessen systemische Ursachen offengelegt hat, und die Beratungen der deutschen

Bischöfe auf ihrer Frühjahrsvollversammlung 2019 in Lingen mit dem erklärten Willen,

den katholischen Missbrauchskomplex zu durchbrechen. Gerade ein systemischer

Schutzmechanismus, der sich besonders im Täter- und Institutionenschutz zeige, mache

deutlich, dass wir neue Formen bräuchten, mit Macht umzugehen. Der synodale Ansatz

habe versucht, eine neue Performance, wie kirchliche Macht praktisch ausgeübt werden

soll, ins Spiel zu bringen. Ganz konkret wurde das in einer neuen Sitzordnung, die nicht

auf Hierarchien zurückgeht, und in der Begrenzung der Redezeit für alle, Bischöfe wie

Laien. Diese Performance habe etwas verändert – schon jetzt. Dahinter könnten wir nun

nicht mehr zurück.

Skepsis von mehreren Seiten

Ebenso ging Hoff auf die Skepsis ein, die dem Synodalen Weg von vielen Seiten entge-

gengebracht wurde. Da sei zunächst eine strukturelle Skepsis zu nennen hinsichtlich des

kirchenrechtlichen Status dieses Konstruktes und evtl. falscher Erwartungen, die damit

geschürt wurden. Hoff betonte den Charakter des Synodalen Weges als „Experiment“,

der gleichsam eine „Nottaufe“ gewesen wäre. Viel hänge an einer freiwilligen Selbstbin-

dung der Bischöfe. Weitere kritische Rückfragen beträfen die Angst vor einer „Protes-

tantisierung“ und „Demokratisierung“, die Sorge, dass sich hier eine deutsche National-

kirche herausbilde und den Versuch, strukturelle Reform und Spiritualität gegeneinan-

der auszuspielen. In der Kritik des Wiener Theologen Jan-Heiner Tück spiegelten sich

all diese kritischen Rückfragen, wenn dieser kommentiere, dass „eine Versammlung, in

der die Bischöfe nur die eine Hälfte stellen und das gleiche Stimmrecht wie Laien besit-

zen, auf eine Halbierung der episkopalen Leitungskompetenz hinauslaufe“. Darauf er-

widerte Hoff, dass die deutschen Bischöfe gerade von ihrer Lehr- und Leitungsmacht

Gebrauch gemacht haben, als sie mit großer Mehrheit (es gab in Lingen keine Gegen-

stimme und nur vier Enthaltungen) dem Ansatz des Synodalen Weges zustimmten. Wer

nun von einer „Halbierung der episkopalen Leitungskompetenz“ spreche, der stelle mit

dieser Entscheidung der Bischöfe auch ihre apostolische Autorität in Frage.

Neue Freiheitsspielräume

Die Diskussionen auf dem Synodalen Weg haben nach Hoff neue Freiheitsspielräume

eröffnet. Das werde besonders deutlich in der Reform des kirchlichen Arbeitsrechts, die

in allen Bistümern umgesetzt sei. Hier sei es besonders der Bewegung „Out in Church“

zu verdanken, dass das Leiden von LGBTQ+-Menschen in und an der Kirche Gehör fin-

den konnte. Es habe sich eine „glaubensbiographische Autorität“ herausgebildet, die in

Statements u.a. der Trans*-Person Mara Klein deutlich wurde, die freimütig von ihrer

biographischen Leidgeschichte in der Kirche erzählt hat. Auch der Betroffenenbeirat der

Bischofskonferenz wurde auf den Versammlungen immer wieder gehört – leider bis zum

Ende ohne Stimmrecht, dafür im neugewählten Synodalen Ausschuss vertreten.

Auf den Vorwurf des „deutschen Sonderwegs“ bzw. der drohenden Abspaltung einer

Nationalkirche ging Hoff mit Rückmeldungen aus der Weltkirche beim durch Papst

Franziskus initiierten Synodalen Prozess auf weltkirchlicher Ebene ein. Hier zeige sich

deutlich, dass die auf dem Synodalen Weg in Deutschland behandelten Themen keine

deutschen Sonderthemen seien, sondern alle Regionen der Welt beträfen. Überall gebe

es Kritik an Klerikalismus und Liturgie, an Missbrauchsaufarbeitung und fehlender

Transparenz. Auch der Wunsch nach einer stärkeren Beteiligung von Laien werde über-

all geäußert, ebenso offene Fragen wie Sexualmoral, Zölibat und Frauenordination.

Wie geht es weiter?

„Wie geht es weiter?“ So lautete eine Frage aus dem Publikum bei der folgenden Dis-

kussion. Viel hänge natürlich von dem ab, wie der synodale Prozess auf weltkirchlicher

Ebene gestaltet werde, so Hoff. Nichtsdestotrotz sei es wichtig, schon jetzt „Netzwerke

des Glaubens“ zu schaffen und „Glaubensräume“ anzubieten für alle Menschen, auch

für die, die in dieser Kirche keine Heimat mehr sähen. Hier hänge viel von den sog.

„grassroots people“ ab, also von Menschen an der Basis der Kirche. Hoff erwähnte hier

ausdrücklich Orte wie die OASE und das Haus der Stille der Abtei Königsmünster, die

für viele Menschen solche Biotope des Glaubens seien.

Mit diesem Abend wollten die Mönche der Abtei die Reihe der Abteigespräche wieder

aufnehmen. Sie sind dankbar für das große Interesse und die Beteiligung an der Diskus-

sion. Gerade in der Bereitschaft, miteinander im Gespräch zu bleiben und auch unter-

schiedliche Positionen und Meinungen gelten zu lassen, zeigt sich, was Synodalität aus-

macht. Ein Dank geht an Prof. Gregor Maria Hoff für seinen engagierten und lebendi-

gen Vortrag!

P. Maurus Runge OSB


Am 11. März 2023 ist in Frankfurt die 5. Vollversammlung des Synodalen Weges der Kirche in Deutschland zu Ende gegangen. Für viele ist dieser Prozess mit vielen Hoffnungen für eine Kirche im Aufbruch verbunden gewesen.

Vor diesem Hintergrund laden wir am Mittwoch, 12. April, um 19.30 Uhr zu einem Abend mit Prof. Dr. Gregor Maria Hoff im AbteiForum ein. Er ist Professor für Fundamentaltheologie und Ökumenische Theologie an der Paris-Lodron-Universität Salzburg.

Gregor Maria Hoff war im Rahmen des Synodalen Weges tätig im Forum 1 "Macht und Gewaltenteilung" und hat u.a. die "Frankfurter Erklärung: Für eine synodale Kirche" im vergangenen Jahr initiiert. Zudem ist er Berater der DBK in der Glaubenskommission und der Kommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum. Für letzteres Thema ist er auch Berater der Päpstlichen Kommission

Prof. Hoff wird an diesem Abend aus erster Hand Themen und Debatten des Synodalen Weges nachzeichnen, die weiteren Entwicklungen in den Blick nehmen und mit uns über die Frage einer Kirche im Aufbruch ins Gespräch kommen.